Vorbeugung

Dr. Roger Lauener

Allergologie, Universitäts-Kinderklinik, Zürich

Mai 12, 2021

VORBEUGUNG: WORUM HANDELT ES SICH?

Allergien haben in den letzten Jahrzehnten stark an Häufigkeit zugenommen; mittlerweile gehören sie zu den häufigsten Erkrankungen im Kindesalter. Bei der Behandlung der allergischen Erkrankungen konnten einige Erfolge verzeichnet werden. Die meisten Behandlungen vermögen aber lediglich, negative Folgen einer Allergie zu verhindern und Beschwerden zu unterdrücken. Ursächliche Behandlungen, wie die Desensibilisierungstherapie, sind aufwendig und nur für bestimmte Allergien möglich. Vorbeugende Massnahmen, um Allergien zu verhindern, sind deshalb besonders wichtig. Viele Aspekte der Vorbeugung werden gegenwärtig intensiv erforscht, manches ist noch unklar. Mit einfachen Massnahmen kann aber einiges erreicht werden.

Im Säuglingsalter führen einige Allergene erfahrungsgemäss besonderes häufig zu allergischen Krankheiten. Manche dieser Allergene können durch einfache Massnahmen wenigstens reduziert werden Zudem ist die früheste Kindheit, vor allem das erste Lebensjahr, für die Entstehung von Allergien prägend. So ist es besonders sinnvoll, bestimmte Nahrungsmittel verzögert einzuführen, denn die meisten Allergien gegen Nahrungsmittel im Kindesalter entstehen auch im ersten Lebensjahr; ältere Kinder entwickeln nur noch selten neue Nahrungsmittelallergien.

WELCHE VORBEUGEMASSNAHMEN SCHÜTZEN VOR ALLERGIEN?

Nahrungsmittel

Alle Kinder sollten möglichst lange gestillt werden. Hinsichtlich der Verhütung von Allergien konnten einige neuere Arbeiten allerdings nur einen beschränkten Effekt des Stillens zeigen; da Muttermilch aber auch aus zahlreichen anderen Gründen die optimale Ernährung für das Neugeborene darstellt, ist Stillen unverändert unbedingt empfehlenswert.

Falls Stillen nicht oder nicht genügend möglich ist, können Muttermilch- Ersatzpräparate gegeben werden. Für Kinder mit erhöhtem Allergierisiko (d.h. das Kind hat ein oder zwei erstgradig Verwandte mit Allergien) sollen besonders in den ersten 4 bis 5 Monaten spezielle Säuglingsmilchpräparate verwendet werden (sogenannte HA-Milchpräparate; HA = hypoallergen). Zusätzliche Nahrungsmittel (Beikost) sollen ab 5 bis 6 Monaten eingeführt werden. Man soll dabei pro Woche nur ein Nahrungsmittel neu in die Nahrung des Kindes einführen. Wenn ein Kind trotzdem allergisch reagiert, weiss man, gegen welches Nahrungsmittel, und kann dieses meiden.

Bei Kindern mit einem erhöhten Allergierisiko empfiehlt es sich zudem, vorbeugend im ersten Lebensjahr Nahrungsmittel zu meiden, von denen man weiss, dass sie besonders häufig Allergien auslösen. In erster Linie sind dies Milchprodukte, Hühnerei, Fisch. Nahrungsmittel, die Nüsse und Erdnüsse enthalten, sollten sogar während der ersten drei Lebensjahre gemieden werden. Wenn die familiäre Belastung mit Allergien besonders stark ist, kann eine individuelle Beratung hilfreich sein: je nach Situation ist es sinnvoll, im ersten Lebensjahr noch weitere Nahrungsmittel zu meiden sowie weitere Massnahmen zu ergreifen.

Falls keine Allergien aufgetreten sind, können die oben erwähnten Nahrungsmittel nach dem ersten Lebensjahr gegeben werden: dann sind nämlich Immunsystem und Darm soweit ausgereift, dass im Verdauungssystem in der Regel keine neuen Allergien gegen Nahrungsmittel mehr entstehen. Treten hingegen im ersten Lebensjahr trotz der Vorbeugemassnahmen Allergien auf, ist eine fachärztliche Beratung sinnvoll, um das weitere Vorgehen festzulegen.

Hausstaubmilben

Hausstaubmilben sind besonders wichtige Allergene. Sie können nicht nur zu Allergien der Atemwege wie Asthma und Heuschnupfen führen, sondern auch eine Neurodermitis (atopische Dermatitis) verstärken. Hausstaubmilben gedeihen in feuchtwarmem Klima am besten. Die folgenden einfachen Massnahmen tragen dazu bei, Hausstaubmilben zu vermindern.

Auch von den Allergien abgesehen, tragen diese Massnahmen zu einem für Säuglinge gesunden Wohnklima bei:

• Täglich 2-3 x lüften. 2 –3 mal pro Woche Staub saugen

• Zimmer nicht überheizen; insbesondere in Schlafzimmern ist eine Zimmertemperatur von 18 Grad ausreichend

• Bettwäsche bei 60 Grad waschen

• Nur ein bis zwei Stofftiere im Bett des Kindes (es gibt Stofftiere, die bei 60 Grad gewaschen werden können)

Rauchen

Nicht nur Aktivrauchen, auch Passivrauchen schadet den Atemwegen. Kinder, die in einer Umgebung aufwachsen müssen, in der geraucht wird, leiden gehäuft unter Erkrankungen der Atemwege. Die Reizung der Atemwege durch den Tabakrauch trägt entscheidend zum Leiden von allergiekranken Kindern bei. Deshalb, Ihren Kindern zuliebe: Aufhören mit Rauchen oder wenigstens nicht in der Wohnung rauchen.

Umwelt, Haustiere und Allergien

In jüngster Zeit sind Studien erschienen, wonach Bauernkinder weniger Allergien haben als Kinder, die nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen sind; zudem erschienen Berichte, wonach Kinder, die in den ersten Lebensjahren mit zwei oder mehr Katzen oder Hunden aufgewachsen sind, im Schulalter weniger Allergien hatten als die Kinder, die keine Haustiere hatten. Dies hat zu viel Verwirrung geführt: soll man das halten von Haustieren empfehlen?

Bis vor kurzem galt für Allergiker die kategorische Empfehlung, auf Haustiere zu verzichten. Das gilt unverändert, wenn jemand bereits allergisch z. B. gegen Katzen ist. Weniger klar ist, ob es etwas bringt, wenn man vorbeugend auf Haustiere verzichtet, wenn Nachwuchs erwartet wird. Soll man ein Haustier neu anschaffen, wenn ein Säugling im Haus ist? Davon raten wir weiterhin ab.

Ob ein Haustier, das bereits seit vielen Jahren in der Familie ist, weggegeben werden soll, um der Entstehung einer Allergie vorzubeugen, wenn eine Familie neu ein Kind bekommt, muss individuell besprochen werden. Welche Faktoren genau bewirken, dass Bauernkinder weniger an Allergien leiden als ihre Gefährten, wird noch erforscht. Man hofft, dass man daraus lernen kann, wie auch Kinder, die nicht auf einem Bauernhof aufwachsen, vor Allergien geschützt werden können.

Impfen und Allergien

Immer wieder wird die Vermutung geäussert, dass Impfungen die Entstehung von Allergien begünstigen. Verschiedene grosse Studien haben gezeigt, dass dies nicht stimmt. So fand man z. B. in Finnland, dass Erwachsene, die als Kind gegen Masern geimpft wurden, weniger Allergien hatten als die, die nicht geimpft wurden und die Masernkrankheit durchmachen mussten. Impfungen gegen Kinderkrankheiten erhöhen das Risiko für Allergien nicht!

Weitergehende Massnahmen

Die oben erwähnten Massnahmen sind einfach und wirkungsvoll. Sie richten sich vor allem an gesunde Säuglinge, die ein erhöhtes Risiko haben, im Verlauf ihres Lebens an Allergien zu erkranken. Sie anzuwenden schadet auch nicht, wenn in der Familie niemand Allergien hat. Hingegen kann es sinnvoll sein, weitergehende Massnahmen in die Wege zu leiten, wenn Familienmitglieder an besonders schweren Allergien leiden. Erst recht muss abgeklärt werden, ob sich zusätzliche Massnahmen aufdrängen, wenn das Kind bereits im Säuglingsalter an einer allergischen Erkrankung, z.B. an einer Neurodermitis, leidet. Oft sind dann allergologische Untersuchungen und eine gezielte Beratung bei einem Artz/ einer Ärztin sinnvoll, der/ die Erfahrung mit Kindern und Allergien hat.

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