In einer Zeit, in der Bildschirme und Tastaturen von unserer Gesellschaft Besitzergriffen haben, haben manche Länder wie Finnland oder auch 45 der US-Bundesstaaten beschlossen, Kindern das Schreiben von Hand nicht mehr beizubringen. Dort weicht die Schönschrift fortan dem für nützlicher befundenen Maschinenschreiben.
Aber bleibt eine derart gravierende Änderung des Lehrplans wirklich ohne Folgen? Diese Frage sorgt berechtigterweise für Wirbel, denn wenn man Stifte als altmodische Schreibutensilien abtut, dann geht dies mit einem bedeutenden kulturellen Wandel einher. Manche sind der Meinung, dass das Erlernen der Schrift junge Schüler in ihrer Entwicklung bremst, weil es sie auf die Grenzen eines Blatts Papier beschränkt. Andere betrachten das Schreiben von Hand vielmehr als stimulierende Übung für das Gehirn, die Konzentration und die Feinmotorik.
Wie sieht die Zukunft aus? Wird das Schreiben auch in unserer Zivilisation irgendwann als eigenständige Disziplin gelehrt werden, nach dem Vorbild der ersten Kopisten und Kalligraphen, einer kleinen Gruppe, die die elitäre Kunst der Handschrift beherrschte? Befürworter von Veränderungen sind der Meinung, dass die Technologie den Menschen dazu verpflichtet, sich an die Welt von morgen anzupassen.
Für andere ist die Handschrift vor allem unter einem sozialen Gesichtspunkt unerlässlich. Persönliche Notizen, Briefe und handschriftliche Dokumente sind Schriftstücke, die wir aufbewahren und in denen wir Gedanken und Erinnerungen festhalten können. Was würde passieren, wenn in der digitalen Welt mehrere Tage lang der Strom ausfiele? Wenn niemand mehr das Schreiben von Hand beherrschen würde, könnte nichts mehr schriftlich festgehalten werden. Die Handschrift ist jedoch wesentlich für unsere Freiheit. Sie ermöglicht es uns, uns unabhängig von Computern und Tablets auszudrücken. Eine Studie der Princeton University (USA) hat die Vorteile des Notizennehmens beleuchtet und gezeigt, dass Studierende, die diese Methode anwenden, Informationen besser synthetisieren – ein erneuter Beweis für die positive Wirkung des Schreibens von Hand.
“Die Handschrift ist jedoch wesentlich für unsere Freiheit. Sie ermöglicht es uns, uns unabhängig von Computern und Tablets auszudrücken ”
Während die Nachteile der Nutzung von Bildschirmen durch Kinder immer noch für Diskussionsstoff sorgen, ist die Entscheidung für eine kulturelle Entwicklung, die ausschliesslich auf Digitaltechnik beruht, nicht einmal Thema. Denn dies würde auch bedeuten, dass allen Schülern zu Hause digitale Geräte zur Verfügung stehen müssten, was nicht immer der Fall ist. Diktierfunktionen (sofern verlässlich) und Rechtschreibprüfungen hingegen können wertvolle Hilfsmittel sein, um legasthenischen Kindern oder Kindern mit Rechtschreibschwäche zu helfen. In der Schweiz wurden die Regeln für die Lehre der Schrift im Laufe der Zeit aufgeweicht. Die Kantone zeigen jedoch zurzeit kein Interesse daran, den Füllfederhalter schon in den ersten Schuljahren durch eine Tastatur zu ersetzen.
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