Seit mehreren Jahrzehnten nimmt bei Kindern die Häufigkeit der Allergiekrankheiten und besonders der Asthmaerkrankungen mit ihren erheblichen Auswirkungen auf die Gesundheit ständig zu. Nach neueren vergleichenden Studien über die Häufigkeit von Allergien im ehemaligen Ostdeutschland und in Westdeutschland hängt diese Zunahme mit unserem westlichen Lebensstil zusammen.
WIE WIRD MAN ALLERGIKER?
Asthma, atopische Dermatitis, allergischer Heuschnupfen und Lebensmittelallergie sind klinische Äusserungen der Atopie, einer genetischen Disposition, die zu einer übertriebenen Produktion von Allergie-Antikör-pern (IgE) führt, und von der mindestens 20 bis 30% der Bevölkerung betroffen sind. Die Entwicklung allergischer Äusserungen bei einer atopischen Person hängt weitgehend von den Umwelteinflüssen ab, denen sie ausgesetzt ist. So kann eine frühzeitige Exposition mit hohen Konzentrationen von Allergenen die Sensibilisierung auf diese Allergene und das Auftreten von allergischem Heuschnupfen und Asthma begünstigen. Man wird also Allergiker, wenn man genetisch disponiert und einer Umwelt ausgesetzt ist, die Allergien begünstigt.
WANN FINDET DIE ALLERGENSENSIBILISIERUNG STATT?
Eine in Deutschland mit einer grossen Patientengruppe durchgeführte Studie weist nach, dass die allergische Sensibilisierung sich schon sehr früh im Leben entwickeln kann. So steigt die Häufigkeit der Sensibilisierung auf Milben von 2% bei einjährigen Kindern auf 22% bei sechsjährigen an, diejenige auf Pollen von 1% bei einjährigen auf 13% bei sechsjährigen. Die frühe Sensibilisierung ist mit einem in der frühen Kindheit vorherrschenden Typ der Immun- Antwort (Th2-Polarisation) in Verbindung zu bringen. Diese Polarisation begünstigt die Synthese von Allergie-Antikörpern (IgE), im Gegensatz zu der bei grösseren Kindern und Erwachsenen üblichen Th1-Polarisation. Während des intrauterinen Lebens herrscht an der Schnittstelle vom fetalen zum mütterlichen Blutkreislauf die Th2-Polarisation vor, womit die Wahrnehmung des Fötus als Fremdkörper und seine Abstossung vermieden wird. Auch das 10 Blut der Nabelschnur weist diese Th2-Polarisation auf, doch bei den für Allergien disponierten Kindern, den Atopikern, ist sie übersteigert. Zwischen der Geburt und dem fünften Lebensjahr entwikkelt sich die Th2-Polarisation allmählich zur Th1-Polarisation. Bei Atopikern ist jedoch ein Fortbestehen der Th2-Polarisation festzustellen. Das Gleichgewicht zwischen Th1- und TH2-Polarisation verändert sich also mit dem Alter und entwickelt sich üblicherweise von Th2 beim Säugling zu Th1 beim Erwachsenen. Die Umweltfaktoren, die dieses Gleichgewicht beeinflussen, können die frühzeitige Sensibilisierung auf Allergene fördern oder hemmen. Daraus folgt, dass der Einfluss der Umwelt während der ersten Lebensjahre entscheidend ist für die Entwicklung einer allergischen Sensibilisierung und von klinischen Manifestationen einer Allergie, wobei die Sensibilisierung jedoch während des ganzen Lebens stattfinden kann.
WANN ENTWICKELT MAN DIE VERSCHIEDENEN ALLERGIEKRANKHEITEN
Die verschiedenen Allergiekrankheiten treten nicht beliebig auf: die erste Manifestation einer Atopie ist im Allgemeinen die atopische Dermatitis, wie beim Säugling. Das Asthma beginnt oft im Kleinkindalter und die Rhinitis (Heuschnupfen), besonders die pollenbedingte, in der Jugend. Auch für die Sensibilisierung auf verschiedene Allergengruppen gibt es eine Reihenfolge: der Säugling neigt eher zu einer Sensibilisierung auf Nahrungsmittelallergene und das Kind ab drei Jahren auf Inhalationsallergene bei gleichzeitiger Abnahme der Nahrungsmittelsensibilisierung. So entwickelt das atopische, für Allergien disponierte Kind eine Folge allergischer Erscheinungen, die als allergische Karriere bezeichnet wird.
KANN MAN DIESE ALLERGISCHE KARRIERE VERMEIDEN?
Da die allergische Sensibilisierung sich hauptsächlich in den ersten Lebensjahren entwickelt und stark von der Umgebung abhängt, der das Kind ausgesetzt ist, müssten wirksame Präventivmassnahmen es ermöglichen, die Häufigkeit von Allergien in der Bevölkerung zu reduzieren. Die Wirkung einer frühen Prävention auf die verzögerte Einführung von Nahrungsmittelallergenen wird seit mehreren Jahren untersucht. Es konnte nachgewiesen werden, dass eine Diät, die hydrolysierte Rinderproteine enthält, während der ersten Lebensmonate die Häufigkeit der Milchallergie sowie der atopischen Dermatitis senkt. Diese Massnahme scheint jedoch die Häufigkeit von Allergien längerfristig nicht zu beeinflussen. Weitere Studien, besonders über die frühe Exposition infektiösen Erregern, die den von Zellen des Immunsystems generierten Reaktionstyp beeinflussen und auf diese Weise die allergische Sensibilisierung begünstigen oder hemmen können, laufen noch. Ein besseres Verständnis der Mechanismen, mit denen die Umwelt die Entwicklung allergischer Reaktionen während der ersten Lebensjahre beeinflusst, dürfte es uns ermöglichen, die genaue(n) Ursache(n) für die zunehmende Häufigkeit von Allergien zu ermitteln und die Wirksamkeit der Präventivmassnahmen zu verbessern.
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