Harnwegsinfektion ist ein allgemeiner Begriff für sämtliche Infektionen des Harntrakts. Harnwegsinfektionen werden in Infektionen des oberen Trakts (Nieren und Harnleiter) und des unteren Trakts (Blase und Harnröhre) unterteilt, wobei zwischen einfachen und komplizierten Harnwegsinfektionen unterschieden wird. Als kompliziert gilt jede Infektion des Harntrakts, die mit einer Anomalie in der Struktur des Urogenitaltrakts oder mit dem Vorliegen einer Grunderkrankung einhergeht. Unkomplizierte Infektionen der unteren Harnwege gehören nach wie vor zu den am häufigsten von Hausärzten behandelten Infektionen. 40% aller Frauen leiden irgendwann einmal in ihrem Leben an einer Harnwegsinfektion, und bei erwachsenen Frauen ist die Wahrscheinlichkeit, einen Harnwegsinfekt zu bekommen, 30 Mal höher als bei Männern. Dieser Artikel befasst sich mit einfachen Harnwegsinfektionen bei Frauen, mit besonderem Schwerpunkt auf Harnwegsinfektionen bei postmenopausalen Frauen.
Diagnose
Die Diagnose einer unkomplizierten akuten Zystitis (Blasenentzündung) kann anhand der Symptome (Schmerz, häufiger Harndrang) gestellt werden. Ein Urinteststreifen ist die erste vorgesehene Untersuchung.
Eine Urinkultur wird in folgenden Fällen empfohlen:
- Verdacht auf Pyelonephritis
- Symptome, die innerhalb von 2 bis 4 Wochen nach Ende der Behandlung nicht abklingen oder wieder auftreten
- Frauen mit atypischen Symptomen
- schwangere Frauen
- männliche Patienten mit Verdacht auf Harnwegsinfektion
Es ist wichtig, Prostatainfektionen und sexuell übertragbare Infektionen auch in Betracht zu ziehen. Eine detaillierte Beschreibung dieser Infektionen würde jedoch über den Rah- men dieses Artikels hinausgehen.
Therapie
E. coli ist der am häufigsten isolierte Erreger bei Harnwegsinfekten. Weitere Uropathogene sind Staphylococcus saprophyticus, Enterococcus, Klebsiella, Enterobacter und Proteus. Bei Patienten mit unkomplizierten, nicht fieberhaften Harnwegsinfektionen sollten Schmerzbekämpfung und ein minimaler Antibiotikaeinsatz im Vordergrund stehen. Eine Zystitis kann spontan heilen. Daher sind Analgesika gut geeignet für die Behandlung der Symptome und zur Verringerung der Antibiotikaeinnahme. Trotzdem spricht eine unkomplizierte Blasenentzündung sehr gut auf orale Antibiotika an. Die Antibiotikatherapie der ersten Wahl stellen derzeit Fosfomycin und Nitrofurantoin dar. Diese Antibiotika werden rasch mit dem Urin ausgeschieden und sind im Gewebe nur geringfügig präsent, was sie zu einer ausgezeichneten Wahl bei akuter Zystitis macht.
Cotrimoxazol (Bactrim®) wird klassisch zur Behandlung von Harnwegsinfektionen ein- gesetzt, aber die Resistenz von Escherichia coli gegen dieses Medikament ist in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen und liegt nun schon bei 15-30%. Die Resistenz von Harnwegserregern gegen Fluorchinolone (Ciproxin®, Noroxin®) ist ebenfalls sehr hoch, weshalb diese als Erstlinienbehandlung nicht mehr empfohlen werden.
Rezidivierende Harnwegsinfekte
Rezidivierende Harnwegsinfekte sind symptomatische Infektionen, die sich nach dem Abklingen einer früheren Episode einstellen, in der Regel nach geeigneter Behandlung. Sie können bei Frauen aller Altersstufen auftreten. Das Bakterium der Erstinfektion und das reinfizierende Agens sind im Allgemeinen identisch. Bei postmenopausalen Frauen ist Östrogenmangel ein Risikofaktor für chronisch wiederkehrende Harnwegsinfektionen. Auch erbliche Faktoren scheinen die Anfälligkeit für rezidivierende Harnwegsinfektionen zu beeinflussen.
Bei Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen sind eine bildgebende Diagnostik der oberen Harnwege und eine Blasenspiegelung nicht routinemäßig zu empfehlen. Diese Untersuchungen sollten jedoch unverzüglich bei Patienten durchgeführt werden, die unmittelbar nach Abschluss der Antibiotikatherapie ein Rezidiv erleiden, oder wenn nach Abklingen der Infektion Blut im Urin ist. Die Möglichkeit, dass ein bösartiger Tumor für hartnäckige, nicht behandelbare Symptome verantwortlich ist, sollte ausgeschlossen werden.
Prophylaktische Behandlung
Antibiotisch
Kandidaten für eine prophylaktische Antibiotikabehandlung sollten mindestens eine posi- tive Urinkultur haben, um die Übereinstimmung der Symptome mit einer echten Infektion zu bestätigen. Die optimale Dauer der Antibiotikaprophylaxe ist unbekannt. In Absprache und gestützt auf begrenzte Daten sollte eine anfängliche Phase von 3 bis 12 Monaten angeboten werden.
Nicht antibiotisch
Die Erprobung eines schmerzstillenden oder entzündungshemmenden Arzneimittels zur Symptombekämpfung kann den Einsatz von Antibiotika bei einigen Patienten einschränken. Die Prophylaxe mit einem Cranberry-Produkt kann das Wiederauftreten von Harnwegsinfektionen eindämmen. Cranberries enthalten Proanthocyanidine, die das Anhaften von E. coli an den Blasenzellen möglicherweise verhindern. Die Erkenntnisse über ihre Wirksamkeit sind widersprüchlich. Dennoch handelt es sich um eine einfache, risikoarme Maßnah- me, die Infektionsepisoden und den Einsatz von Antibiotika verringern kann.
Obgleich man über die spezifischen Mechanismen noch wenig weiß, spielen Östrogene eine Schlüsselrolle bei der Regulierung der natürlichen Infektionsabwehr des unteren Harntrakts. Bei postmenopausalen Frauen kann die Behandlung mit topischen Östrogenen dank ihrer Wirkung auf die Vaginalflora die Rezidivraten von Harnwegsinfekten senken. Studien zu intravaginalen und oralen Lactobacillus-Probiotika, oraler D-Mannose, Akupunktur und prophylaktischen Immuntherapien sind rar und widersprüchlich, sodass weitere Studien erforderlich sind.
Asymptomatische Bakteriurie
Die asymptomatische Bakteriurie (Bakterien im Urin) kommt bei älteren Menschen sehr häufig vor und tritt auch bei etwa 1 – 5 % der gesunden prämenopausalen Frauen auf. Sie verursacht keine Krankheit oder Nierenschäden, weshalb eine Behandlung der asymptomatischen Bakteriurie bei Patienten ohne Risikofaktoren nicht empfohlen wird. Empfindlichere diagnostische Tests haben kürzlich nachgewiesen, dass Urin nicht steril ist. Der Harntrakt wird von einer singulären Harnwegsmikrobiota (Mikrobenpopulation) bewohnt. Die Bakteriurie stellt einen Bruchteil der verschiedenen Mikroorganismen dar, die unsere Harnwege beherbergen. Diese Bakteriengemeinschaften sind im Allgemeinen vorteilhaft und notwendig für das lokale Gleichgewicht. Wenn in naher Zukunft alle im menschlichen Harntrakt vorkommenden Mikroben identifiziert werden, könnten einige Antibiotikabehandlungen für Harnwegsinfektionen eine Korrektur des Ungleichgewichts bewirken. Dank solcher Forschungen dürfte es möglich sein, die Patienten, die wirklich Antibiotika benötigen, besser zu definieren.
0 Kommentare